Unter Horseman – Pferdemann – können wir uns etwas vorstellen. Aber was soll das Schiff in dieser Bezeichnung? Oder geht es gar nicht um ein Schiff, sondern mehr um etwas, wie Partnerschaft und wird das Wort vom englischen Partnership abgeleitet?

Ein Interview von Beatrice Hohl mit Berni Zambail
zuerst erschienen auf 4my.horse

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Bea: Wir sind hier im schönen Kleindöttingen bei Berni Zambail, einem der führenden Horsemanship-Männer Europas. Wir dürfen ihm heute ein paar Fragen stellen – und ich hätte gerne von Dir gewusst, Berni: Horsemanship, das ist in aller Munde, aber ein richtiges deutsches Wort gibt es dafür nicht. Wie würdest Du es uns erklären?

Berni: Wir müssen das wohl mehr so ein bisschen als eine Metapher sehen. Wir haben HORSE, MAN, SHIP, also ein Pferd, ein Mensch und ein Schiff. Und das Schiff ist das Vehikel, das die zwei benutzen, um miteinander an eine bestimmte Stelle hinzukommen. Also, dieses Ship symbolisiert diesen gemeinsamen Weg, zusammen irgendwohin zu kommen. So teilen ein Pferd und ein Mensch eine Idee und ein Verständnis und gehen zusammen einen Weg.

Dies ist ähnlich wie bei einer Partnership, eine Partnerschaft, in der man miteinander einen Weg geht?

Ja genau.

In einer Partnerschaft will ich mich ja wohl fühlen; wie kann ich erreichen, dass sich mein Pferd wohlfühlt?

Ganz einfach gesagt – und das ist für den einen oder anderen vielleicht ein bisschen hart – ist der einzige Weg, wie sich die Pferde wirklich wohl fühlen in unserer Präsenz, wenn wir lernen, sie wie Pferde zu behandeln und nicht wie halbe Menschen!

Das heisst, dass wir lernen uns zu verhalten wie ein Alphapferd und nicht wie ein Mensch. Ein Pferd fühlt sich dann wohl, wenn es sich geführt fühlt von jemandem. Wenn Menschen und Pferde etwas miteinander zu tun haben oder gerne etwas miteinander machen möchten, dann ist es halt schon von Vorteil, wenn der Mensch dabei der Führer ist. Aber damit das funktionieren kann, muss er lernen, wie ein Pferd denkt, fühlt, spielt und sich benimmt, damit er das Pferd da abholen kann, wo es ihn verstehen kann.

Du hast gesagt «spielt» – welche Bedürfnisse hat ein Pferd?

Das Wichtigste im Leben eines Pferdes ist Sicherheit.

Das Zweitwichtigste im Leben eines Pferdes ist Komfort. Pferde sind Komfortfanatiker, es gibt kein Pferd, das zwei Stunden lang einfach nur dem Zaun entlang galoppieren möchte, wenn es nicht muss oder sich aus irgendeinem Grund erschreckt hat. Die springen schon mal ein bisschen herum, wenn sie von A nach B wollen oder wenn sie ein bisschen überschüssige Energie haben. Aber die hören dann ganz schnell wieder auf und suchen sich einen Platz, wo sie sich wohl und komfortabel fühlen.

Und das dritte Bedürfnis ist ‘Spiel’. Meistens werden Pferde ihre Energie los, wenn sie mit anderen Pferden spielen können. Darum sollten wir ein Pferd niemals isoliert halten! Es sollte zumindest ein anderer Equide mit dabei sein, damit sie miteinander spielen können und wir diesen Bedürfnissen irgendwie gerecht werden können.

Sicherheit, Komfort und Spiel und dann – ja –

Futter?

…ja, zuerst kommt noch Sex und dann das Futter 😉

Okey – wir gehen auf den ersten Punkt noch ein, die Sicherheit. Viele Pferde sind ängstlich. Wie kann ich einem Pferd beibringen, dass es vor einem bestimmten Objekt nicht Angst haben muss?

Erstens einmal muss ich die Regeln des Zusammenlebens auf der Reihe haben. Das bedeutet, dass wir ein Abkommen darüber haben, wie wir miteinander umgehen. Pferde sind gross und stark und schnell und die Menschen sind klein und langsam und nicht stark – also müssen Pferd und Mensch irgendwie miteinander ein Abkommen treffen, wie sie miteinander umgehen wollen. Das bedeutet, dass das Pferd mir erlaubt, etwas zu erklären und dass es zuhört, wenn ich etwas sage. Und dann habe ich diese Grundlage dafür, dass ich nachher sagen kann: „Du pass mal auf. Schauen wir mal, wie weit du an das Objekt des Schreckens herangehen kannst.“ Und dann muss ich ihm da eigentlich freie Hand lassen. Wenn er gelernt hat, dass es in Ordnung ist, vorwärts und rückwärts zu gehen, aber rechts und links nicht, – und dafür brauche ich die Regeln des Zusammenlebens – dann gehe ich mit ihm so nahe zum Objekt hin, bis er sagt: „Okey… das geht nicht mehr.“ Und dann muss ich ihm erlauben, zurückzugehen.

Annäherung und Rückzug ist das, was Pferde von Natura aus machen, um mutiger zu werden. Ein Pferd kann nur mutiger werden, wenn wir ihm erlauben, zurück zu gehen, nachzudenken, zu schauen ob es – ein bisschen übertrieben gesagt – immer noch am Leben ist und es sich ein Bild davon machen kann, „wie gefährlich“ die Situation jetzt tatsächlich ist. Und dann nehmen wir einen zweiten Anlauf.

Und meistens, wenn wir einen zweiten Anlauf nehmen, kommt das Pferd ein bisschen näher ans Objekt heran, bleibt wieder stehen und wir sagen dann: „komm, gehen wir zurück“. Das ist für die Menschen ganz, ganz schwer, weil die Menschen sehr zielorientiert sind und sie dann sagen: «ja noch ein bisschen, noch ein bisschen, noch ein bisschen» . So sagt das Pferd plötzlich: «Boah, jetzt kann ich nicht mehr!!» und dann geht’s «chrrrr – phuu» und dann ist die ganze Geschichte auseinandergefallen und bereits das nächste Mal sagt das Pferd «Jooa, aber da gehe ich gar nicht mehr hin!».

Also, wir brauchen Geduld, und wir brauchen Beständigkeit.

Geduld und Beständigkeit ist ganz wichtig. Und vor allem hilft es auch, wenn wir ein bisschen eine Ahnung davon haben, was wir tun.

So ist es. Woran merkst Du, dass Pferde etwas verstanden, etwas gelernt haben?

Wenn wir Pferde beobachten, nachdem wir ihnen eine Aufgabe oder eine Frage gestellt haben und sie diese beantwortet haben und wir dann einen Moment warten, dann schlecken sie den Mund. Wenn ein Pferd das gemacht hat, heisst das, dass ich mit meiner Information bis zu seinem Kopf vorgestossen bin.

Wenn ich etwas sage und das Pferd steht da und nix passiert, dann gibt es zwei Erklärungen dafür: die erste Möglichkeit ist, dass es sagt: «Jooa, das geht mir am Hintern vorbei….», dann war der Stimulus ein bisschen zu klein. Oder das Pferd steht da und sagt «Boaah, ich kann nicht denken…» und hat einen grossen Frosch im Hals. Das ist für mich die Information, dass es zu viel war.

Wenn der Stimulus zu gross war, passiert nichts und wenn der Stimulus zu klein war, dann passiert ebenfalls nichts. Also muss ich herausfinden, wieviel ich machen muss, damit ich bis zum Kopf gelange.

Zum Kopf kommen… Ein Pferd mag ja im Kopf gerne etwas beschäftigt sein. Wie bringe ich es hin, damit ein Pferd auch Spass hat, an dem, was wir machen?

Ja, das ist so ein bisschen eine Geschichte mit dem Spass… Pferde haben Spass, wenn wir spielen. Doch viele Menschen verstehen den Sinn dahinter nicht genau. Wir arbeiten mit unseren Pferden, das ist in unserer Kultur drin und wenn wir arbeiten – das entspricht auch unserer Mentalität – dann ist es für unser Pferd auch Arbeit!

Wenn wir aber lernen, wie ein Pferd denkt und fühlt, dann können wir mit ihm spielen. Wir können eine Aufgabe in ein Spiel packen, so dass das Pferd dieses Spiel gewinnen kann. Und dann habe ich beides! Dann habe ich mein Pferd «gearbeitet», aber das Pferd hat das Gefühl, dass es ein Spiel gespielt hat, welches es gewonnen hat.

Ein weiterer Aspekt des Horsemanship ist es ja auch, dass man eine besondere Verbundenheit sucht mit dem Pferd.

Wenn wir mit Pferden wirklich erfolgreich sein wollen, dann brauchen wir eine mentale Verbindung. Und die Voraussetzung, dass sich ein Pferd mental mit uns verbindet, hängt ganz stark davon ab, was wir machen.

Nun gibt es bei den Pferden auch verschiedene Persönlichkeiten wie bei den Menschen und ich muss mich mit diesen Persönlichkeiten auseinander setzten, damit ich persönlichkeitsgerechte Führungsstrategien nutzen kann für das Pferd.

Grundsätzlich können wir Pferde in 4 Kategorien einteilen: es gibt zwei extrovertierte und zwei introvertierte Kategorien, wovon alle vier entweder eine linke oder eine rechte Hirnhälfte-Charakteristik aufweisen.

Bei der linken Hirnhälfte-Charakteristik sind alle Verhaltensmuster, die uns nicht gefallen an einem Pferd, von der Dominanz getrieben. Bei Right Brains, also rechte Hirnhälfte-Charakteristiken, sind alle Verhalten eines Pferdes, die uns nicht gefallen, von der Angst getrieben.

Es ist sehr hilfreich, wenn man diese psychologischen Faktoren kennt, setzt aber voraus, dass man sich intensiv damit auseinandersetzen muss.

Also „Horsemanship“ und „Horsenalitys – die Charakteren der Pferde“ kann man bei Berni Zambail hervorragend lernen… Zum Abschluss noch eine Frage: Wann ist ein Pferd wirklich mit mir verbunden?

Einer meiner wichtigsten Lehrer war Pat Parelli und er hat gesagt: «Es ist ganz einfach. Wenn wir Halfter und Führseil runter nehmen, bleibt nur die Wahrheit zurück.» Wenn ich also testen will, wie gut mein Pferd mit mir verbunden ist, dann nehme ich Halfter und Führseil weg, lege es auf den Boden oder rolle es ein und laufe dann weg. Wenn mein Pferd am Ellenbogen hängt, dann ist es mit mir verbunden. Wenn es jedoch stehen bleibt und nach den Freunden guckt, dann ist es nicht mit mir verbunden.

Ja so ist es. Herzlichen Dank, Berni, fürs Interview!